Interview mit Joana Ahrendorf von der Reitanlage „Joana und Freunde“ auf Gut Sarnow

Joana Ahrensdorf verfügt über 30 Jahre Reiterfahrung. Als gelernte Pferdewirtin gründete sie 2010 mit Freunden eine Pensionsgemeinschaft auf Gut Sarnow. Sie legt seither großen Wert darauf, dass sich jeder Reiter und jedes Pferd auf seine Bedürfnisse abstimmt und seinen anatomischen Gegebenheiten entsprechend frei entwickeln kann.

Die Reitanlage bietet den Pferden durch die einmalig schöne Lage im Biosphärenreservat Schorfheide weite, hügelige Koppeln in Offenstallhaltung oder Box mit täglichen Koppelzugang in festen und konstanten Herden. Die Pferde stehen das ganze Jahr auf den weitläufigen Koppeln. Wir haben mit Joana Ahrensdorf über ihre Arbeit auf Gut Sarnow gesprochen:

Welche Vorteile hat die Offenstall-Haltung?

Es ist die gesündeste Form für Pferde, in einem sozialen Herdenverband zu leben. Natürlich bieten wir auch Boxenplätze für Sportpferde oder ältere Pferde an. Aber der große Teil steht in getrennten Herden im Offenstall. Hier können sie sich frei bewegen und ihren natürlichen Bedürfnissen nachkommen. Zudem verhindert es frühzeitige Arthrose in den Gelenken. Es ist hauptsächlich ein gesundheitlicher und sozialer Aspekt, warum ich mich für die Offenstall-Haltung entschieden habe. Auch wenn diese deutlich arbeitsaufwändiger ist.

Wie sind Sie eigentlich zum Gut Sarnow in die Schorfheide gekommen?

Oh, das ist eine längere Geschichte… Vor allem kam dieser Entschluss nach einer Reise nach Nepal. Nepal hat mich damals sehr inspiriert und mir den Mut für neue Sachen gegeben. Fakt ist auch, dass ich nach meiner Lehre zur Pferdewirtin beschlossen habe, niemals mehr für einen Anderen zu arbeiten. Dafür bin ich zu ehrgeizig und habe einen zu großen ,,Dickschädel‘‘. Meine erste Station war ein Bauwagen mitten in einem Wald auf einer Wiese, mit einem Unterstand und einem Roundpen. Ich habe mich den Bedürfnissen der Pferde und Kunden angepasst und wurde nach und nach größer. Ich hatte viele tolle Menschen und Freunde um mich, die mich auf meinem Weg begleitet haben und mir viele neue Möglichkeiten eröffnet haben. Ohne diese Menschen wäre ich nicht auf Gut Sarnow gelandet. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar.

Was war Ihr schönstes Erlebnis mit einem Pferd?

Der Erfolg, das komplette Vertrauen eines unserer Rettungspferde zu erhalten. Eine spanische Stute, die wir vor dem Tod gerettet haben, war stark traumatisiert. Sie kam mit mehrfachem Nasenbruch, vielen Narben und Fesselspuren zu uns. Anfangs ließ sie sich nicht anfassen. Mit viel Arbeit – und ohne jegliche Anforderung an sie zu stellen – gelang es mir zum Schluss, mit ihr durch den Wald zu spazieren: ich auf dem Fahrrad, die Stute komplett frei hinterher. Sie ist mir auf Schritt und Tritt gefolgt, ohne jegliche Verbindung durch ein Seil oder sonstiges zu haben.

Welche Herausforderungen müssen Sie täglich bewältigen?

Die größte Herausforderung ist natürlich das Wetter, da unsere Arbeit hauptsächlich draußen stattfindet. Wenn es lange regnet, haben wir viel Schlamm. Die Maschinen müssen täglich laufen, fällt eine aus, wird es schwierig. Der größte Verschleiß der Maschinen ist durch schlechtes Wetter. Andererseits: Ist es zu lange trocken, haben wir kaum Futter….

Was sind die häufigsten Missverständnisse zwischen Pferd und Reiter?

Kurz und knapp: Das Pferd hat zu alldem, was wir mit ihm vorhaben, niemals „JA“ gesagt. Der Reiter entschließt sich für ein Ziel. Das Pferd nicht. Das vergessen die Reiter in der Regel. Das Pferd muss folgen. Versteht oft das Handeln der Reiter nicht. Kennt das Ziel nicht. Der Reiter erwartet oft vom Pferd den Lektionen zu folgen. Gibt der Reiter aber missverständliche Hilfen, kann das Pferd nicht verstehen. Die Kunst des guten Reiters ist es, dem Pferd all diese Dinge zu erklären. In seiner Sprache. So, dass es für das Pferd Sinn und Freude macht. Das können nur die wenigsten.

Hat ein bewusster achtsamer und respektvoller Umgang mit Pferden einen positiven Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen? 

Die Frage ist schwierig, aber irgendwie auch total einfach. Entweder man hat eine gewisse Art von Empathie und kann diese für Pferde und Menschen nutzen – oder man hat sie eben nicht. Manche Erwachsene haben leider absolut keine Empathie – weder den Pferden noch anderen Menschen gegenüber. In jungen Jahren kann man das noch lernen. Daher veranstalten wir jährlich Horsemanship-Camps für Kinder und Jugendliche. Hier ist es das Ziel, den Kindern den respektvollen und achtsamen Umgang mit Pferden und anderen Reitern beizubringen. Dies kann manchmal ziemlich hart für die Kinder sein, aber bisher sind immer alle extrem glücklich aus diesem Camp heraus gegangen. Es sind Erfahrungen, die die Kinder teilweise noch nie gemacht haben. In dem Alter kann man aber noch viel lernen und sich für einen bestimmten Weg entscheiden.

In welchen Disziplinen können wir von Pferden lernen? 

Vor allem auf der Koppel, am besten in einer Stutenherde. Hier spielen Sozialverhalten, Hierarchie, Aufgabenverteilung, Sanftheit und Konsequenz eine große Rolle. Ich empfehle, sich einfach mal einen Tag lang an die Koppel zu setzen und herausfinden, welches Pferd welche Aufgabe hat. Hier kann man fantastische Dinge beobachten. 

Wie viel Mensch braucht das Pferd?

Das hängt vom Pferd ab: Ein Wildpferd benötigt keine Menschen. Unsere gezüchteten Sportpferde, benötigen mittlerweile viel Mensch. Viele können ohne Eisen nicht mehr gehen. Die Zähne müssen regelmäßig geschliffen werden, sonst kann das Pferd kein Futter mehr aufnehmen. Insofern wir das Pferd einsperren, muss die Futteraufnahme geregelt werden. Pferde sind Lauftiere. Ist der Platz zu klein, benötigt es Bewegung. Ist der Platz groß und viel Futter ist vorhanden, hat das Pferd wahrscheinlich trotzdem zu wenig Bewegung und zu viel Futter. In dem Moment, wenn das Pferd kein Wildpferd mehr ist, braucht das Pferd sehr viel Mensch. Das betrifft aber nur den gesundheitlichen Aspekt, nicht den sozialen Aspekt. Denn unsere Zucht hat sehr stark in die Gesundheit des Pferdes eingegriffen, was sowohl zu genetischen Problemen als auch Problemen im Verdauungstrakt geführt hat. Wir haben nun die Verantwortung, damit verantwortungsvoll umzugehen. 

Wie findet man das Pferd, das am besten zu einem passt? Haben Sie Tipps, worauf zu achten ist?

Es kommt darauf an, was man sucht! Suche ich ein Sportpferd, ist es am besten, den Reitlehrer zu fragen, ob er einen begleitet. Dieser kann gut beurteilen, ob das Pferd passt oder nicht. Man sollte auf keinen Fall an den Kosten in der Anschaffung sparen. Pferde werden im Laufe der Zeit noch teurer. Das betrifft die Ausbildung, das Futter und die Einstellkosten. Bei einem gesunden eingerittenen Pferd, mit dem man im Basis-Sport mitreiten möchte und welches die Ausbildung schon hinter sich hat, sollte man nicht unter 15.000 € einplanen. Alle suchen das perfekte Pferd. Gesund, bestens ausgebildet, brav im Umgang, preiswert. Mein Tipp: Man sollte sich gut überlegen, auf was man persönlich verzichten kann. Ein perfektes Pferd wird man nicht finden – auch wenn das Internet laut Verkäufer voll damit ist.

Welche Leidenschaft – außer der Umgang mit Pferden – bringt Sie zum Leuchten?

Gute inspirierende Gespräche. Ich liebe es, mit Visionären und lösungsorientierten Menschen zusammen zu sitzen: am liebsten bei einem guten italienischen Essen. 

Was ist Ihr größter Traum und Wunsch für die Zukunft?

Ein Rehazentrum für Pferde. Aktuell mache ich noch meine Ausbildung als Tierheilpraktiker für Pferde und hoffe, in Zukunft weitere Menschen zu treffen, die dieses Ziel verfolgen, um ein gutes Netzwerk zu bilden. Ein Rehazentrum für Pferde wäre mein größter Wunsch und Traum. Da arbeite ich jeden Tag darauf hin.